In der ökumenischen Notfallseelsorge in Rosenheim arbeiten nicht nur Hauptamtliche mit. Im Team sind derzeit 4 Ehrenamtliche, 4 weitere machen derzeit die Ausbildung.
Im Gemeindebrief des kath. Pfarrverbandes Flintsbach vom Sommer 2022 habe 2 von ihnen ihre Geschichte erzählt:
Ein Interview mit der Notfallseelsorgerin Carmen Buckard
Notfallseelsorge als Ehrenamt
Carmen Buckard aus Oberaudorf hat im Jahr 2013 gemeinsam mit ihrem Mann Christian ihre Grundausbildung für Ehrenamtliche in der Notfallseelsorge absolviert, seit 2016 ist sie in der Notfallseelsorge des Dekanats Inntal beschäftigt. Carmen Gratzl hat mit ihr über ihre ehrenamtliche Tätigkeit gesprochen.
Carmen, wie lief Deine Ausbildung zur Notfallseelsorgerin ab?
Mein Mann und ich kommen ursprünglich aus dem Siegerland. Wir haben dort im Jahr 2013 unsere Grundausbildung für Ehrenamtliche in der Notfallseelsorger (NFS) gemeinsam absolviert. Anbieter dieser Ausbildung ist die evangelische Kirche, es handelt sich aber um
ein ökumenisches Gemeinschaftsprojekt. Mein Mann und ich sind beide katholisch. Die Ausbildung bestand aus verschiedenen
Unterrichtsmodulen wie z.B. Trauerbewältigung und den psychologischen Aspekten von Menschen in Extremsituationen. Wir haben auch mehrere Praktika absolviert, dabei u.a. Einsätze mit dem Rettungsdienst und im Polizeiauto. Ein weiteres Modul war die
geistliche Begleitung von Menschen in Krisensituationen. Im Jahr 2015 war die Ausbildung beendet und wir wurden in unserer damaligen Heimatpfarrei im Siegerland ausgesendet.
Bist Du zur Zeit aktiv als Notfallseelsorgerin tätig?
Im Jahr 2016 sind mein Mann und ich nach Kiefersfelden umgezogen und dort haben wir uns ziemlich bald in den Dienst der Notfallseelsorge des Dekanats Inntal gestellt. Seit 2020 leben wir in Oberaudorf. Wir haben beide Zivilberufe.Da mein Mann Christian beruflich stark eingebunden ist, pausiert er derzeit in der Notfallseelsorge. Ich bin aber weiterhin neben meinem Beruf in der Metzgerei Schwaiger aktiv im Dienst. Meine Einsatzzeiten betragen meistens 6 Stunden, die ich selbstständig von 6 bis 12 Uhr, von 12 bis 18 Uhr, von 18 bis 0 Uhr oder von 0 Uhr bis 6 Uhr in den digitalen Einsatzplan eintrage, so wie es meine persönliche Zeit und Einsatzbereitschaft ermöglichen. Das Ehrenamt wird nicht vergütet. Es werden lediglich die Fahrtkosten mit dem privaten Pkw erstattet.
Carmen, wie kam es zu Deinem Wunsch, diese Ausbildung überhaupt zu beginnen?
Ich hatte mir damals eine berufliche Auszeit genommen und mein Mann Christian wusste, dass ich schon immer den bis heute unerfüllten Wunsch habe, Pathologin zu werden. So sagte er damals aus dem Bauch heraus, arbeite doch mal eine Zeitlang bei einem Bestattungsinstitut. Als ich eine Zeit danach die Zeitung aufschlug, war es wie eine Fügung, denn ein Bestattungsinstitut suchte gerade einen Fahrer (m/w/d). Ich rief an und bekam unmittelbar nach der ersten Fahrt, auf der ich den Chef des Instituts begleitete, die Zusage. In dieser Zeit beim Bestattungsinstitut wurde mir klar, dass der Bestatter immer eine Lücke hinterlässt, er nimmt die zu Tode gekommene Person mit, aber was bleibt sind traumatisierte und trauernde Menschen. Ich habe so sehr mitgefühlt mit diesen Menschen, ich wollte das nicht einfach hinnehmen, sondern darüberhinaus helfen.
Was sind Deine Einsatzfelder als Notfallseelsorger?
In 98% der Fälle werde ich zu Todesfällen gerufen, die plötzlich eintreten, also ganz häufig zu Verkehrsunfällen oder gesundheitlichen Problemen (z.B. erfolglose Reanimation nach Herzinfarkt). In Ausnahmefällen sind es Einsätze bei laufenden Reanimationen mit ungewissem Ausgang, Suizid oder gar Mord. Bei häuslichen Todesfällen ist es eher selten, dass ein ehrenamtlicher Notfallseelsorger
eingebunden ist. Dort wird häufig sofort der Seelsorger der Pfarrei gerufen.
Wie groß ist Euer Einsatzgebiet?
Der Landkreis Rosenheim mit seinen fünf Dekanaten ist ein großes Einsatzgebiet und es sind durchaus weite Strecken zu fahren, bis man am Einsatzort ist. Es sind 8 Notfallseelsorger in unserem Dekanat Inntal und insgesamt 14 Notfallseelsorger im gesamten Landkreis Rosenheim tätig. Davon sind lediglich vier Personen ehrenamtliche Notfallseelsorger, mein Mann Christian und
ich gehören dazu.
Was gehört denn genau zu den Aufgaben des Notfallseelsorgers?
Es geht in erster Linie darum, den in einer Extremsituation befindlichen Angehörigen oder auch einem Ersthelfer am Unfallort Hilfestellung zu geben. Ganz wichtig ist, die Lage einzuschätzen, wie stabil die völlig durch das Trauma desorientierten
Menschen sind. Wir stehen Ihnen bei und helfen, den ersten Schock zu überwinden. Danach gibt der Notfallseelsorger die praktische Anleitung, was jetzt die nächsten Schritte sind, was nun zu tun ist, wir füllen für sie sozusagen das „Nichts“. Selten wird gebetet, wobei der ehrenamtliche Notfallseelsorger durchaus die Aussegnung sprechen darf. Sehr gerne wird immer angenommen, eine Kerze
für den Verstorbenen anzuzünden. Die Einsatzdauer ist abhängig von der Situation und wird vom Notfallseelsorger selbst eingeschätzt.
Gibt es Möglichkeiten und Angebote für Dich, Dich selbst zu schützen, so dass Du selbst keinen seelischen Schaden durch das Erlebte bei den Einsätzen nimmst?
Es gibt vier Teamtreffen aller Notfallseelsorger im Landkreis Rosenheim pro Jahr sowie regelmäßige Schulungen und Weiterbildungen. Jeder Notfallseelsorger hat zwei bis drei Mal pro Jahr eine sog. Supervision. Das bedeutet, dass die Einsätze mit einem speziell ausgebildeten, höchst professionellen Supervisor besprochen, analysiert und verarbeitet werden. Für mich persönlich ist es außerdem
ein großer Gewinn und ein großes Glück, dass ich mich jederzeit mit meinem Mann Christian besprechen und austauschen kann. Wir unterstützen uns gegenseitig und können uns beistehen. Jeder weiß, wovon der andere spricht und was er durchmacht.
Carmen, wie wird denn der Notfallseelsorger in einem Unglücksfall informiert?
Die Einsatzkräfte am Unglücksort (Polizei, Arzt oder Rettungssanitäter) rufen die integrierte Leitstelle an und diese aktiviert den diensthabenden Notfallseelsorger. Falls dies versäumt wird oder schlichtweg im Chaos untergeht, sollte ein jeder, der in unmittelbarer Nähe eines in extremer Krisensituation steckenden Menschen ist, bitte keine Hemmungen haben, selbst bei der Leitstelle anzurufen. Die Notfallseelsorger sind für solche Extremsituationen ausgebildet und helfen dabei, den ersten Schock in abgemilderter Form zumindest zu überstehen. Die Notfallseelsorge ist ein Ehrenamt für die Kirche und wird aus Nächstenliebe praktiziert.
Liebe Carmen, herzlichen Dank für diesen Einblick in Deine Arbeit als Notfallseelsorgerin! Danke an Dich und Deinen Mann Christian für Euer unentgeltliches, aber umso mehr wertvolles Engagement in unserem Dekanat und darüber hinaus.
Das Interview wurde zuerst am 08.09.2022 veröffentlicht.